Forschergruppe "Anfänge (in) der Moderne"
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Gottes Uranfang – Urszenen und Sprachen der Schöpfung im deutschsprachigen theologischen Diskurs der 1920er Jahre

Systematische Theologie

Das Teilprojekt zielt darauf, die schöpfungstheologischen Diskurse der 1920er und 1930er Jahre in der vom Antragsteller entwickelten, konfessionsübergreifenden Perspektive einer shared history zu untersuchen. Nach den intensiven Materialrecherchen in der ersten Antragsphase sollen nunmehr die Transferprozesse zwischen protestantischen, römisch-katholischen und jüdischen Schöpfungsdiskursen verstärkt in den Blick genommen werden. Zugleich gilt es, den spezifischen Denkstil und rhetorischen Habitus dieser Diskurse zu charakterisieren, deren Suggestionskraft sich nicht zuletzt den geistesrevolutionären Selbstinszenierungen ihrer prominenten Sprecher verdankt. Darüber hinaus und vor allem wird das Projekt die Politisierungsprozesse untersuchen, die sich in den 1920er und 1930er Jahren mit Schöpfungssemantiken verknüpfen. Konfessionsübergreifend diente die Rede von 'Gottes Schöpfungshandeln' zur Begründung starker ethischer Normativität. Je mehr 'die Krise' (der Moderne, des Historismus, der Wissenschaft etc.) erlitten wurde, desto stärker suchten Theologen wie Philosophen der durch den Ersten Weltkrieg traumatisierten sogenannten 'Frontgeneration' nach neuer Unbedingtheit und tragenden Fundamenten. In heftigen Kontroversen um den Begriff der 'Schöpfungsordnung' wurden alte Vorstellungen einer göttlichen creatio continua (in traditioneller dogmatischer Sprache: Erhaltungsordnung) politisiert. Begriffe wie 'Seinsordnung', 'Ursprungsmächte' bzw. 'Ursprungskräfte', 'Gottes Gesetz', 'Seinsgesetz', 'Volksnomos', 'Volksgemeinschaft', 'Volksordnung', 'Raumordnung', 'heiliges Land' und 'Gottes Reich' prägten nicht nur die diversen 'politischen Theologien' christlicher Theologen, sie wurden auch von jüdischen Theologen und Religionsintellektuellen aufgegriffen. Es waren dabei keineswegs nur Theologen aus den antirepublikanisch-völkischen Milieus und nationsfromme Wegbereiter der 'deutschen Revolution' von 1933, sondern auch eher der politischen Linken verbundene religiöse Sozialisten, die eine postliberale, nicht mehr parlamentarische Ordnung durch schöpfungstheologische Reflexionsfiguren bzw. Schöpfungsethik begründen und stärken wollten. Analytisch leitend ist das Konzept des Sakraltransfers: Untersucht werden Strategien der Sakralisierung von Ordnungsinstanzen wie 'Volk', 'Raum' und 'Rasse', mit denen beim Anfang aller wahren politischen Ordnung, dem gottgegebenen Fundament eingesetzt werden soll.

Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf (Projektleiter)
Dr. des. Florian Schneider (Mitarbeiter)
Dr. Falko von Saldern (Hilfskraft)

Lehrstuhl für Systematische Theologie und Ethik
Evangelisch-Theologische Fakultät
Ludwig-Maximilians-Universität München
Schellingstr. 3
80799 München

Telefon: 089/2180-3573
Fax: 089/2180-2359

E-Mail: Ethik@evtheol.uni-muenchen.de