Forschergruppe "Anfänge (in) der Moderne"
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Symposium "Was der Fall ist" (15.-17.12.2011)

Internationales Symposium 15. bis 17. Dezember 2011 LMU München - Literaturhaus München

Thematik

Dass die Welt, wie Ludwig Wittgenstein schrieb, alles sei, „was der Fall ist“, kann vieles bedeuten. Seit dem 18. Jahrhundert macht die Fallgeschichte eine steile Karriere auf den Feldern von Recht, Medizin, Psychologie und Literatur: Als interdiskursives Genre sammelt, ordnet und erzeugt sie Wissen von Einzelfällen, stellt aber – gerade in ihren literarischen Ausprägungen – auch die Frage nach dem Verhältnis von Singulärem und Allgemeinem, Norm und Abweichung, Ausnahme und Regel. Neben dem casus und der Fall-Geschichte bleiben in der Moderne jedoch auch der lapsus und die Erzählung vom anfänglichen Sündenfall virulent: Prozesse der Entdogmatisierung und Dekanonisierung eröffnen den Spielraum für Arbeiten am biblischen Mythos; sie setzen an den geschichtsphilosophischen, epistemologischen und anthropologischen Implikationen sowie an der temporalen und logischen Signatur des lapsus an und gewinnen aus dessen Umschriften narrative und dramatische Eröffnungsstrategien und Reflexionsmodelle epochaler Zäsuren.

Das Wissen, das am Einzelfall über die „Natur des Menschen“ gewonnen werden soll, zielt charakteristischer Weise auf den Stand des (gefallenen) Anthropos. Während einerseits die Vielzahl von Einzelfällen das mythische Datum des singulären Falls zerstreut, bleibt dieser andererseits als Folie im Spiel, vor der Ausnahme-, Präzedenz- und Grenzfälle ihre paradoxe Exemplarität gewinnen. Zugleich konfrontieren Geschichten vom Einzelfall das Wissen mit dem blinden Fleck seines eigenen, anfänglichen Falls. Die Verschränkung der Geschichten von casus und lapsus hat also Komplikationen zur Folge – paradoxe Fälle, welche die Aporien normativer und epistemologischer Ordnungen aufdecken und deren Zweideutigkeit sich nicht in dem Wortspiel auflöst, das durch die Ambiguität und morphologische Variabilität des „Falls“ ermöglicht wird. Das Interesse der Tagung gilt dem Profil dieser Fälle, den Verfahren ihrer Konstruktion, ihren epistemologischen Implikationen und dem, was sie immer wieder aufs Neue hervortreibt.

 

Programm

 

15. Dezember 2011, LMU, Schellingstraße 3, HS 006

 

18:15    Inka Mülder-Bach (München)

            Begrüßung und Einführung

 

18.30    Rüdiger Campe (New Haven)

            Von Fall zu Fall. Goethes „Werther“, Büchners „Lenz“

 

 

16. Dezember 2011, Literaturhaus München, Bibliothek

 

9:30      Christopher Wild (Chicago)

            Stolpern und Fallen: Zur Konversion als religiöse und philosophische Gründungsoperation

 

10:30    Johannes F. Lehmann (Duisburg)

            Was der Fall war: Zum Verhältnis von Fallgeschichte und Vorgeschichte

 

12:00    Nicolas Pethes (Bochum)

            Der Fall der Gattung. Literarische Kasus zwischen Norm und Spektakel

 

14:30    Michael Ott (München)

            Der Fall, der eintritt. Zu Kleists „Marquise von O....“

 

15:30    Markus Kleinert (Erfurt)

            Ein Fall ins Kristall? Über die Verklärung der Welt in Stifters „Nachsommer“

 

17:00    Susanne Lüdemann (Chicago)

            Über Fallgeschichten in Literatur und Psychoanalyse

 

 

17. Dezember 2011, Literaturhaus München, Bibliothek

 

9:30      Davide Giuriato (Frankfurt/M.)

            Geschichten vom kleinen Hans (Freud – Kafka)

 

10:30    Inka Mülder-Bach (München)

            Der Fall Moosbrugger

 

12:00    Lars Friedrich (Bonn)

            Erkenntnisgefälle und Beweislast. Brechts „Galilei“

 

14:30    Juliane Vogel (Konstanz)

            Apfelgarten und Geschichtslandschaft. Fallszenarien bei Handke und Bernhard

 

15:30    Abschlussdiskussion

 

Organisation: Inka Mülder-Bach, Michael Ott

 

Veranstaltungsorte:  LMU München, Schellingstraße 3 VG, HS 006 (am 15.12.)

                                  Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, 80333 München (16.-17.12.),  

 

Mit freundlicher Unterstützung des Literaturhauses München.

Um Anmeldung wird gebeten unter michaelott@lmu.de

Verantwortlich für den Inhalt: Michael Ott