Forschergruppe "Anfänge (in) der Moderne"
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Workshop: "Paradoxien und Aporien des Anfang(en)s" (29.10.2007)

Workshop

Paradoxien und Aporien des Anfang(en)s

Montag, 29.10.2007, 14-19 Uhr
IBZ, Amalienstraße 38, 80799 München

Programm

14.00 Horst Weich (Romanistik, München): Einleitung

14.30 Hanjo Berressem (Amerikanistik, Köln): "Topologien des Anfangs", oder: Schreiben auf der 'projektiven Fläche'

15.45 Kaffeepause

16.15 Hanna Eglinger (Nordistik, München): Verführerische Texte. Metafiktionale Anfangsaporien in skandinavischer postmoderner Prosa

17.30 Kaffeepause

17.45 Erika Greber (Komparatistik, München/Erlangen): Recycling des Anfangs: Zur Heterarchie von Schachteln, Stufen, Schleifen

19.00 Ende des Workshops

Koordination: Erika Greber / Horst Weich

Die Veranstaltung ist öffentlich, die Teilnahme kostenlos. Wir bitten um Anmeldung per E-Mail

unter: eckhard.schumacher[at]germanistik.uni-muenchen.de

Historische und literarische Anfangskonstruktionen unterliegen meist einer paradoxen Verschränkung von Tradition und Innovation, Regression und Progression, Altem und Neuem, Vergangenheit und Zukunft. Da der Anfang immer nur nachträglich als ein solcher erkennbar ist, ergeben sich grundlegende Paradoxien für die Setzung des Anfangs. Mit der Fokussierung der Anfangsfrage gewinnt man eine für die Textwissenschaften (im Forschungsverbund: Philo­sophie, Philologie, Geschichte, Theologie) unverzichtbare Denkfigur.

Im Fokus des Workshops stehen Textanfänge: textuelle Strukturen und formästhetische Verfahren. Literarische Texte sind hier von doppeltem Interesse, insofern sie das Anfangsproblem sowohl thematisieren können als auch in ihrer Verfaßtheit performativ erfahrbar machen. Damit ermöglichen sie es, sowohl den Anfang als auch das Anfangen zu beobachten.

Jeder literarische Text hat bzw. macht einen Anfang; somit wirft Literatur die Frage nach Anfängen auch dann auf, wenn sie sie nicht explizit thematisiert. In der modernen Literatur stellt sich diese Frage auf unterschiedlichen Ebenen: als Frage nach dem Beginn des Schreibens; als Frage nach dem Anfang des Textes samt seiner Markierung, Rahmung bzw. Begrenzung (also etwa nach dem Verhältnis von Text, Paratext, Text-im-Text); als Frage nach genre­spezifischen Anfängen; im Fall von Erzählliteratur als Frage nach dem Anfang der histoire und damit zugleich dem Verhältnis und dem Ende von histoire und discours; schließlich als Frage nach den medialen (bes. spatiotemporalen) Implikationen des Textanfangs/Textendes – all dies im Hinblick auf das textuell inszenierte Spiel mit Paradoxien bzw. Aporien.

Exemplarisch aufschlüsseln läßt sich dieser Problemkomplex anhand der temporalen Struktur von Anfängen. Die Zeitstruktur des Anfangs kann sehr unterschiedlich modelliert werden: prospektiv (performativ gesetzt) oder retrospektiv (nachträglich konstruiert bzw. anerkannt), aufgeschoben oder realisiert, singulär oder wiederholt, zeitfixiert oder zeitenthoben, plötzlich oder prozessual, intransitiv oder transitiv (etwas hat angefangen vs. jemand fängt an). An solchen komplexen Textarrangements werden kulturelle Konzepte von Zeit ablesbar; zugleich jedoch werden Zeitkonzepte durch literarische Texte auch generiert.

Es gilt die Strategien zu beleuchten, mit denen die moderne und postmoderne Literatur auf die 'Verlegenheit' antwortet, die Anfänge auch für sie bedeuten. Dabei eröffnet sich eine doppelte Perspektive. Einerseits ist danach zu fragen, wie sich künstlerische Verfahren und Semantiken des Anfangs im jeweiligen Epochenkontext zu theoretischen Anfangskonzepten verhalten. Zum anderen geht es um das kultursymptomatologische bzw. diagnostische Potential literarischer Anfangsfiktionen. Anfänge literarischer Texte sollen besonders darauf hin befragt werden, ob der Literatur in ihrem Vollzug bzw. ihrer Beobachtung von Anfängen gegenüber den Ordnungen des Wissens ein epistemologisches Privileg zukommt und welche Geschichte(n) der Moderne die Texte in und von ihrem Anfang her erzählen.

Der Workshop wird Gelegenheit bieten, die allgemeinen logisch-epistemologischen und spezifisch poetologischen Implikationen von Figuren des Anfangs in systematischem Zusammenhang zu besprechen.