Forschergruppe "Anfänge (in) der Moderne"
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Forschungsprogramm

Ziel der interdisziplinären Forschergruppe ist es, Prozesse der Moderne über die Denkfigur des Anfangs neu in den Blick zu nehmen. Ihr Gegenstand sind Anfangskonstruktionen auf der Ebene von kulturellen Diskursen, Genres und Texten in den letzten drei Jahrhunderten (mit exemplarischen Ausgriffen in die Vormoderne und die Antike). Zum einen soll untersucht werden, über welche Konzepte, Semantiken und Verfahren diese Anfänge modelliert werden und welche Funktionen ihnen zukommen. Zum anderen gilt es zu klären, welche Rolle Anfangskonstruktionen im Rahmen von Selbstbeschreibungen der Moderne spielen. Die Grundlage der Kooperation zwischen den Teilprojekten der Forschergruppe bilden fünf übergreifende Problemstellungen, die Anfänge nicht nur als Verdichtungspunkte kultureller und textueller Symbolisierungen erkennbar werden lassen, sondern auch jene Spannungen sichtbar machen, an denen alle eindimensionalen Modernisierungserzählungen scheitern.
  1. Ein erster Schwerpunkt ist die moderne Faszination durch Ursprünge. Exemplarisch sollen kulturelle Ursprungsmythen und politische Gründungsszenarien untersucht werden, deren Entwurf bis in die Avantgarden des 20. Jahrhunderts hinein ebenso konstitutiv zur Moderne gehört wie die Faszination durch Archaismen und der Traum von einer restitutio ad integrum.
  2. Solche Ursprungs- und Gründungsszenen lassen sich häufig als Phantasien der Kontingenzbewältigung lesen. Das bedeutet allerdings nicht, daß mit der Hinnahme von Kontingenz das Anfangsproblem erledigt wäre. Deshalb beschäftigt sich die Forschergruppe in einem zweiten Schwerpunkt mit der Frage, wie kontingente Anfänge konstruiert werden und wie die Kontingenz des Anfangs in den jeweiligen Konstruktionen markiert oder unsichtbar gemacht wird.
  3. Weiterhin soll analysiert werden, wie sich der moderne Leitwert der Innovation zur Denkfigur des Anfangs verhält und welche Rolle diese Denkfigur in Prozessen politischer Gründung spielt. Dabei geht es einerseits um Anfangskonstruktionen, in denen es zu paradoxen Verschränkungen von Tradition und Innovation kommt, und andererseits um die Bedeutung und Funktion von Räumen bzw. Orten im Entwurf und der Mythologie nationaler bzw. politischer Anfänge.
  4. In einem vierten Schwerpunkt wird sich die Forschergruppe mit der temporalen Struktur von Anfängen und den mit ihnen verbundenen kulturellen Konzepten von Zeit beschäftigen. Von besonderem Interesse sind diese Zeitmodelle im Hinblick auf die Frage, wie die Moderne sich in ihnen selbst situiert, welchen Anfang sie für sich selbst entwirft.
  5. Schließlich gilt das übergreifende Interesse der Forschergruppe Schreib- und Textanfängen. An unterschiedlichen Genres soll untersucht werden, wie die moderne Literatur Anfänge als Problem von Textualität verhandelt, wie sich literarische Verfahren und Semantiken des Anfangs im Kontext einer bestimmten Epoche zu theoretischen Anfangskonzepten verhalten und welche Geschichte(n) der Moderne narrative Texte von ihren Anfangsfiktionen her erzählen.

Diese Problemstellungen werden in den einzelnen Teilprojekten verfolgt, in gemeinsamen internen Veranstaltungen (Plenumskolloquium, Mitarbeiterkolloquium, Arbeitsgruppen), sowie im Rahmen von Gastvorträgen, Workshops und Symposien, die sich auch an eine breitere Öffentlichkeit richten.